The Beatles – 1962-1966/1967-1970

Der Grund, warum ich die Beatles nicht mögen kann, ist mein früherer Musiklehrer. Menschlich gesehen war er zwar völlig in Ordnung. Und ganz gute Noten gab er mir auch. Aber er liebte die Beatles abgöttisch. Denn sie waren natürlich die Größten aller Zeiten, da durfte es keine zwei Meinungen geben. Und so mussten wir uns wöchentlich unter seiner strengen Begleitung am Flügel durch den ganzen Hitkatalog der „Fab Four“ schmettern. „Yesterday“, „Let it be“, „Hey Jude“ und natürlich „Yellow Submarine“, eine schlechte Coverversion des Stadionklassikers „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Haha, kleiner Scherz, den man aber besser nicht in Hörweite des Lehrers machte. Denn bei Musik verstand der keinen Spaß.  Und was die Beatles betraf, sowieso nicht.

John, Paul, Ringo und George auf Heavy Rotation

Stattdessen: John, Paul, Ringo und George auf Heavy Rotation im Musiksaal. Drumherum kein anderes Klassenzimmer, es durfte also durchaus laut sein. Und je unmotivierter wir mit einstimmten, desto heftiger haute unser Oberstudienrat in die Tasten: „We all live in a yellow submarine, yellow submarine, yellow submarine!“ Und weil das Gegenteil von gut ja bekanntlich gut gemeint ist, klimperte er als fanatischer Beatles-Missionar so Schuljahr für Schuljahr auch noch die letzten vorhandenen Sympathien für die Liverpooler Band aus einer zarten, unschuldigen Gymnasiasten-Seele. Der völlige Beatles-Overkill.

Kapitel Beatles beendet – oder doch nicht?

Auch wenn ich ihnen damit Unrecht getan haben sollte, weil sie vermutlich doch weit mehr als nur die oben genannten Gassenhauer zu bieten hatten:  Für mich persönlich war das Kapitel Beatles mit dem Abi endgültig abgeschlossen. Macht ja nix, gibt ja noch genug andere Musik. Und einen Fan weniger konnten Paul McCartney & Co. locker verkraften. Und auch, dass ich auf Plattenflohmärkten um das Beatles-Fach dann halt immer einen Bogen machte. Dennoch standen plötzlich jene zwei Werke bei mir im Regal, um die es hier geht: das sogenannte „rote“ und das „blaue Album“. Ein Versuch der Vergangenheitsbewältigung? Ein Akt der Versöhnung gar? Oder einfach die späte Erkenntnis, dass man – Popgeschichte und so! – eben doch mindestens eine Beatles-Platte zuhause stehen haben sollte?

Nächtliches Geschenk

Genau Letzteres meinte nämlich auch der junge Mann, der mich an irgendeinem späten Clubabend um die Jahrtausendwende einmal um eine Mitfahrgelegenheit bat. Kein Ding. Man kannte und schätzte sich, und seine Bude lag eh fast auf meinem Heimweg. Weiß der Geier, warum die Sprache während dieser paar Minuten im Auto ausgerechnet auf die Beatles kam. Vielleicht ging es um alte Schulerinnerungen, keine Ahnung. Auf jeden Fall war es ihm ein ernsthaftes Anliegen, diese seiner Meinung nach unverzeihliche Lücke in meiner damals eigentlich schon recht ordentlich sortierten Plattensammlung geschlossen zu sehen. Kurzum: Als Dank für meine Fahrdienste wolle er mir die nötige Basis-Ausstattung in Sachen Beatles-Vinyl schenken.

Vinyl fürs Trampen

Hey, kommt nicht in Frage, ich will doch nix fürs Mitnehmen haben, mache ich doch gerne. Doch, doch, er wurde energischer und immer fester entschlossen. So, als habe er für solche Notfälle immer noch ein paar Exemplare der Beatles-Chroniken „1962-1966“ (rot) und „1967-1970“ (blau) zuhause rumstehen. Und so war es auch. Denn genau diese zwei Doppel-LPs – quasi die Best-of-Sammlungen der Band, die erst nach ihrer Trennung Anfang der Siebziger erschienen waren – wollte er mir überlassen. Einfach so. Kleine Fußnote: Ja, er war in voll geschäftsfähigem Zustand und stand keineswegs unter übermäßigem Alkohol- oder Drogeneinfluss. Und ja, beruhigte er mich, er selber habe dann jeweils auch noch eine Kopie dieser Platten im Schrank stehen.

Beatles Coverrückseite

Zustand: Very Good Plus

Nun, da weiterer Widerstand ganz offensichtlich zwecklos war, gab ich, um ihn nicht zu brüskieren, nach. Aber nochmal, beteuere ich ein letztes Mal, das wäre wirklich nicht nötig… Doch da war er schon weg. Und tauchte tatsächlich nach zwei Minuten wieder aus der Nacht auf und reichte mir die beiden Alben – als deutsche Wiederveröffentlichung von 1985 und in übrigens sehr ordentlichem Zustand – in den Wagen. So kam ich zu meinen ersten und einzigen Beatles-Platten wie die Jungfrau zum Kind.

Immer noch im Plattenregal

Der Respekt vor dieser großzügigen Geste gebot es, die Scheiben fortan trotz unrühmlicher Vorgeschichte in Ehren zu halten und ihnen eine dauerhafte Heimat im heimischen Schallplattenregal zu gewähren. Dem Spender von damals sei hiermit versichert: Bei keinem der folgenden Umzüge landeten die beiden Alben im Keller, niemals wurden sie aussortiert oder gar verkauft. Aber – ich gestehe – aufgelegt wurden sie auch nie.

Beatles Klappcover

Bealles Vinyletikett

  • Faktencheck:
    Titel: „1962-1966“, „1967-1970“
    Interpret: The Beatles
    Label: EMI/Apple Records
    Pressung: 1985
    Bezugsquelle: Geschenk
    Genre: Beatmusik/Rock’n’Roll/Pop
    Platz im Plattenregal: zwischen „Beatschuppen“-Compilation und „Hair“-Soundtrack
    Nerd-Faktor: null
    Angeber-Faktor: Schon mal jemand von einem Tramper Schallplatten geschenkt bekommen? Na also.
    Musikalischer Anspruch: Dazu müsste ich jetzt mal reinhören.
    Anspieltipp: „Strawberry Fields Forever“ vielleicht?
    Wert laut discogs.com: im Schnitt zwölf Euro (fürs „blaue“) und 10,45 Euro (fürs „rote Album“)
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