a-ha – Scoundrel Days

Mädchenmusik? Das mögen viele so gesehen haben, aber ich fand sie auch als Junge super: a-ha. Ich war 13, als ihr Album „Scoundrel Days“ erschien, und mich interessierte seinerzeit eben Popmusik. Und a-ha machten gute Popmusik. Nicht nur für Mädchen. Aber das Image der Bravo-Boys hatten die drei Norweger halt weg. Obwohl sie ja keineswegs zusammengecastet waren und mit Pål Waaktaar auch einen eigenen Songschreiber an Bord hatten – Typ zurückhaltender Nerd, der bei Klassenfesten sein Maul am wenigsten aufreißt, aber zuhause die besten Mixtapes macht und die schönsten Gedichte schreibt. Außerdem war diese Scheibe höchstwahrscheinlich meine erste selbstgekaufte Vinylschallplatte überhaupt (und sie steht meiner Vita wahrlich besser zu Gesicht als die Nummer zwei, aber dazu später einmal an anderer Stelle mehr). Von daher: wichtiges Album!

Lederbändel und Nickitücher

Aber wie gesagt: Für Jungs im besten Luftgitarrenalter war a-ha nicht gerade die Vorzeigelieblingsband damals, also ging man damit nicht allzu offensiv hausieren. Das, was im Walkman oder im Kinderzimmer lief, war sowieso Privatsache. Höchstens die Lederriemen um die Handgelenke und die Nickitücher um den Hals – ganz so wie a-ha-Sänger Morten Harket – verrieten nach außen hin mehr von der halbheimlichen Leidenschaft. Doch trotz modischer Adaptionen war die Kluft zwischen Fan und Star natürlich so tief wie ein norwegischer Fjord. Harket war mit einer unverwechselbaren glasklaren Nachtigallstimme gesegnet und der Teenie-Schwarm der Achtziger schlechthin, ich hatte Pickel und Stimmbruch. Aber seine Musik half mir, das zu ertragen.

Futter für die neue Kompaktanlage

A-has Durchbruch (mit den Hits „Take on me“, „The Sun always shines on TV“ oder „Hunting high and low“) hatte man aus Radio und „Formel Eins“ natürlich mitbekommen. Los ging es für mich dann plattenmäßig aber erst mit ihrem Zweitling, geholt für 17 Mark beim örtlichen Elektronikhändler um die Ecke, bei dem ich kurz zuvor stolz meine neue Philips-Kompaktanlage mit integriertem Plattenspieler – und Radiomodul mit Digitalanzeige!! – erstanden hatte.

Scoundrey Days auf Vinyl

Noch mehr Melancholie, noch mehr Sehnsucht

Und nun drehte sich „Scoundrel Days“ auf dem noch jungfräulichen Plattenteller. Zwar nur 16 Monate nach dem Debüt „Hunting high and low“ erschienen, waren a-ha hier doch schon um einiges weiter. Weniger Gute-Laune-Pop, mehr Melancholie, noch mehr Sehnsucht. Ein super Soundtrack für mein 13-jähriges Leben am Abgrund zur Pubertät. „Time to worry“, wie Morten in „Cry Wolf” sang. Dabei waren es nicht unbedingt diese Hitsingles – „I’ve been losing You” ausgenommen –, die das Album so besonders machten, sondern die anderen Lieder, allesamt aus der Feder von Waaktaar und Keyboarder Magne Furuholmen: das hymnische Titelstück vorneweg, aber auch schöne Schmachtnummern wie „The Swing of Things” zum Beispiel: „Oh, when she glows in the dark and I’m weak by the sight – of this breathtaking beauty in which I can hide”. Hach, ja.

Perlen neben Kitschpop

Aber a-ha waren halt auch stets gut für ziemlich flache Dudelsongs, die man besser als Studio-Outtakes auf den B-Seiten irgendwelcher Single-Auskopplungen versteckt hätte. Allerdings zieht sich gerade „Scoundrel Days“ in der Hinsicht doch recht gut aus der Affäre, sieht man von den leichtgewichtigen Lückenfüllern „Maybe maybe“ oder „We’re looking for the Whales“ ab. Später reihten sich dann aber immer wieder banalste Kitschpoptracks à la „You are the one“ oder „Touchy“ in die Songlisten ein, für die man sich als a-ha-Fan ein bisschen fremdschämte. Im Grunde war es mit dieser Band fast wie mit seinem Lieblingsfußballspieler, der es in die Nationalelf geschafft hatte und mit dem man bei wichtigen Spielen vor dem Fernsehbildschirm sitzend mitfieberte und hoffte, er möge doch bitte jetzt keinen Scheiß bauen.

1991, Stuttgart, Schleyerhalle

Keinen Scheiß bauten a-ha beim tatsächlich einzigen Konzert, das ich von ihnen besuchte. 1991, Schleyerhalle Stuttgart, an einem der letzten Tage des Golfkrieges muss das gewesen sein. Inzwischen waren zwei weitere Studioalben erschienen – das synthie- und hitlastige „Stay on these Roads“ von 1988 und das organische „East of the Sun West of the Moon“ von 1990, mit dem man nun auf Tour ging. Live gesehen waren Pål, Magne und Morten seinerzeit wahrscheinlich auf dem Höhepunkt ihrer Leistungskurve angekommen. Kompakt, kantig, erdig, die Bühnenshow ohne großen Schnickschnack, die bekannten Hits harmonisch neben den neueren Sachen, das Arrangement gut, Harkets Stimme klar und stabil – und „I’ve been losing You“ als kraftvoller Opener.

Die Achtziger sind vorbei

Doch die Achtziger waren vorbei. Der Saal schon nicht mehr ganz so voll, das Publikum schon nicht mehr ganz so grün hinter den Ohren. Die Bandmitglieder inzwischen über 30, man selbst zumindest auf dem Papier auch erwachsen. Es wurde mehr geklatscht als gekreischt, und man ahnte: So jung kommen wir nicht mehr zusammen.
Gut zwei Jahre danach – die musikalischen Präferenzen des Bloggers hatten sich längst schon deutlich verschoben –, veröffentlichten a-ha das fast schon düstere „Memorial Beach“, ein mutiges und interessantes Album, kommerziell gesehen aber ein Flop (für damalige a-ha-Verhältnisse!) und zugleich der Karriereknick der drei Norweger. Sie gingen daraufhin (zunächst) auch getrennte Wege (bis zu ihren mehrfachen Comebacks), und ich verabschiedete mich endgültig von meiner einstigen Lieblingsband – mit einem schönen Dank für alles: Ihr wart da, als ich euch brauchte.

Scoundrey Days Lyrics

  • Faktencheck:
    Titel: „Scoundrel Days“
    Interpret: a-ha
    Label: WEA/Warner
    Pressung: 1986
    Bezugsquelle: Elektronikfachgeschäft
    Genre: Pop/Rock
    Platz im Plattenregal: chronologisch korrekt zwischen „Hunting high and low“ und „Stay on these Roads“
    Nerd-Faktor: null
    Angeber-Faktor: geht so
    Musikalischer Anspruch: variiert, von zeitlos gut bis maybe maybe
    Anspieltipp: „Scoundrel Days“
    Wert laut discogs.com: im Schnitt für 4,70 Euro zu haben
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